Erdbahnkreuzer 1998 OR2 trifft Wolkenloch

Vor einer Woche erreichte mich ein Hinweis auf einen „nahen“ Vorbeiflug eines Erdbahnkreuzers mit dem Namen „1998 OR2“. In Radarbildern des Arecibo Observatoriums sieht der nur 2.1 km grosse Brocken so aus, als ob er eine Maske trägt, wie die Astrophysikerin Anne Virkki humorvoll bemerkt. Auf ihrer Homepage erklärt sie wie die Radarbilder entstehen.

Radarbild von „1998 OR2„, aufgenommen am 18.4.2020 vom Arecibo Observatorium.
Arecibo Observatorium / NASA / NSF

Am 29. April sollte der Asteroid in 6.3 Millionen km an der Erde vorbeifliegen, also etwa dem 16-fachen Entfernung vom Mond. Etwa alle 5 Jahre fliegt ein so grosser Asteroid an der Erde vorbei.

Als dann Stefan Meister von der Sternwarte Bülach anfragte, ob ich mich spontan an einer Beobachtung beteiligen wolle, begann auch bei mir die fieberhafte Planung.

Die Wettervorhersagen von ClearOutside und Meteoswiss lagen nahe beieinander und versprachen ein Wolkenloch um 22 Uhr:

Wettervorhersage von ClearOutside für den 29.4.

Ich verwende diesen Wetterdienst gerne, da er sich auf die für die Astronomie wichtigen Parameter beschränkt und einen schnellen Überblick gibt.

In Zürich war der Vorbeiflug am Abendhimmel nahe dem Horizont im Süden zu beobachten. Jedoch würde der Asteroid in der Dämmerung im Wald verschwinden:

Simulation mit Stellarium für die Planung

Damit ich den Asteroiden in Stellarium anzeigen konnte, musste ich seine Bahndaten vorher von der Website des Minor Planetary Centers im MPC 1-line Format herunterladen. Dieses Format ist ein einfaches Textfile und kann direkt in Stellarium importiert werden. Ausserdem kann ich es in meine 10Micron Montierung laden und dann den Asteroiden direkt in der Handsteuerung auswählen.

Ein erstes kurzes Foto – viele Sterne, aber wo ist der Asteroid? Noch ein paar weitere Bilder… und ich bin genauso schlau wie vorher. Der direkte Vergleich von zwei Bildern (z.B. in PixInsight übereinandergelegt) zeigt dann jedoch schnell welcher Punkt seine Lage ändert – oder besser nicht ändert, da das Teleskop der Bahn des Asteroiden folgt. Der Asteroid war ganz am Bildrand, die Bahndaten also nicht mehr ganz richtig. In diesem Fall ist es wichtig, die Position genau zu bestimmen, damit die IAU daraus neue Bahnen berechnen kann!

Danach den Asteroiden in die Mitte des Bild steuern und eine Belichtungsserie starten: Luminanz Filter, Binning 2×2, 10 Sekunden pro Bild. Die Aufnahmen habe ich hier zu einem kleinen Film zusammengebastelt:

Vorbeiflug von 1998 OR2

Nun ja, die Maske sehe ich nicht, aber das war sicher nur Hysterie. Asteroiden werden von der Erde nicht angesteckt.

ESO-Studie über Starlink Satelliten und andere Konstellationen

Mit grossen Bedenken wurden die Pläne für Mega-Konstellationen wie die Starlink Satelliten in der Amateurastronomie und Profiastronomie aufgenommen. Wird der Sternenhimmel selbst in entlegenen Regionen der Welt nur noch ein Gewimmel von Satelliten zeigen? In einer Studie hat die ESO nun eine objektive Analyse der Situation vorgenommen. Demnach sind Grossteleskope mässig betroffen. Langzeitbelichtungen (>1000 Sekunden) sind stärker betroffen. Einen grösseren Einfluss haben die Satelliten auf Durchmusterungen (Surveys) von grösseren Himmelsfeldern. Hier wären 30-50% der Aufnahmen „stark beeinträchtigt“.  Hier geht es um kurzfristige Phänomene wie Supernovae und potenziell gefährliche Asteroiden. Es ist also möglich, dass er Schutz der Erde vor Asteroiden beeinträchtigt wird und die Grundlagenforschung behindert wird.  Etwa 100 Satelliten würden mit dem Auge in der Dämmerung nahe dem Horizont zu sehen sein, etwa 10 davon über 30 Grad. Die Auswirkungen auf Radio-, Millimeter- und Submillimeterteleskope (wie z.B. ALMA) werden in der Studie noch nicht untersucht. Für weitere Details, siehe die ESO Pressemitteilung.

Stärkste Explosion seit dem Urknall

Diese Überschrift von einer kleinen Randnotiz im Tagesanzeiger hat mich heute Morgen beim Kaffee etwas überrascht. Weiter heisst es, ein Schwarzes Loch sei explodiert und hätte einen riesigen «Krater» im Zentrum eines Galaxienhaufens hinterlassen. Also jetzt mal ganz langsam: Schwarze Löcher explodieren nicht, niemals und auf keinen Fall! Und Galaxienhaufen sind nicht so etwas wie Planeten oder Monde auf denen ein Krater entstehen kann. Was also ist hier wirklich passiert?

Nach einer kurzen Recherche finde ich die Pressemeldung im Original. Die Röntgenteleskope Chandra und XMM-Newton haben eine Lücke (Englisch: cavity) im heissen Gas in der Umgebung der zentralen Galaxy (im Bild: „+“) im Schlangenträger (Ophiuchus) Galaxienhaufen entdeckt.

Das heisse Gas, welches typischerweise Galaxienhaufen wie den im Schlangenträger durchdringt, ist besonders gut im Röntgenlicht sichtbar (im Bild Rosa gefärbt).

Bild 1: Falschfarben Komposit vom Galaxienhaufen im Schlangenträger. Weiss: Galaxien im Infrarot Licht, Blau: Radiolicht, Rosa: Röntgenlicht.
Credit: Röntgen: Chandra: NASA/CXC/NRL/S. Giacintucci, et al., XMM: ESA/XMM; Radio: NCRA/TIFR/GMRT; Infrarot: 2MASS/UMass/IPAC-Caltech/NASA/NSF

In dem eingefügten Bild «CHANDRA», in dem nur das Röntgenlicht zu sehen ist, deutet die gestrichelte Linie die Grenze zur Lücke an.

Die Lücke erkennt man besser, wenn man dieses Bild mit einer Version vergleicht, in der die gestrichelte Linie entfernt wurde:

Bild 2: wie Bild 1, aber ohne gestrichelte Linien.

Die Erklärung ist, dass der relativistische Jet, der das Schwarze Loch im Zentrum (+) der cD Galaxie verlässt, dieses Loch in das heisse Gas gerissen hat. In diesem Fall würden die Wissenschaftler erwarten, dass das Loch u.a. mit Elektronen gefüllt ist, die vom Jet auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wurden. Diese schnellen Elektronen sind im Radiolicht (blau) zu sehen. Um eine Lücke dieser Grösse in das heisse Gas zu reissen, muss der Jet in einem Ausbruch (Explosion) hundert tausende mal stärker gewesen sein, als es für Galaxienhaufen typisch ist. Damit war dieser Ausbruch der grösste bekannte Knall nach dem Urknall selbst. Ja, und das Schwarze Loch ist nicht explodiert, sondern treibt den Jet weiterhin an.

Vortrag: „Die neue Milchstrasse“

Gaia Daten

Copyright: ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO

Unsere Milchstrasse kennen wir als Band aus Sternen, Gas und Staubwolken. Mit dem ESA Satelliten GAIA wurde nun die Position von mehr als einer Milliarde Sternen dreidimensional und mit hoher Genauigkeit vermissen. In seinem Vortrag erklärt Dr. Ortwin Gerhard das sich daraus ergebende neue Bild welches sich die Wissenschaft von der Milchstrasse macht. Vom Typ her ist unsere Galaxie eine Balkengalaxie und in der Sternverteilung zeigen sich Spuren der Verschmelzung mit Zwerggalaxien in der Vergangenheit. Unsere Milchstrasse, die scheinbar unbewegt und unveränderlich am Himmel steht, erweist sich als hochdynamisches System welches sich laufend weiterentwickelt.

Freitag, 28.02.2020, 19:30, Details: www.aguz.ch

Supernova in M100

In der Balkengalaxie M100 ist zur Zeit eine Supernova Typ 1c zu beobachten. Sie wurde am 7. Januar von der Zwicky Transient Facility entdeckt. Als ich gestern Abend davon zufällig erfuhr, habe ich gleich das Teleskop ausgerichtet und ein Bild gemacht um zu sehen ob die Supernova noch nachweisbar ist.

Balkengalaxie M100 (Bildmitte) mit der Supernova SN2020oi nahe dem Kern. Orientierung: Norden oben, Osten Links.

Eine Supernova Typ Ic entsteht in einem engen Doppelsternsystem mit zwei massereichen Sternen. Typischerweise werden sie in Starburstgalaxien beobachtet. Supernovae von diesem Typ werden auch als Stripped-Envelope Supernovae bezeichnet. Der spannende Wikipedia Artikel liest sich ein bisschen wie ein Krimi bei dem nicht klar wer Opfer und wer Täter ist. Möglicherweise gibt es auch einen Zusammenhang zwischen Typ Ic und bestimmten Gamma Ray Bursts.

Über Gefahren und Nebenwirkungen

Warum werden immer mehr Menschen kurzsichtig? Wieso können Kinder immer schlechter rechnen? Machen Smartphones klüger, netter und smarter? Ein interessanter Vortrag zu den langfristigen Gefahren der Digitalisierung.

YouTube player

Daher empfehle ich allen die diesen Beitrag auf ihrem Smartphone lesen, mal dieses auszuschalten, mit den Mitmenschen zu reden oder die Sterne am Himmel zu zählen.

Merkurtransit am 11.11.19

Am 11. November läuft der Merkur auf seiner Bahn direkt vor der Sonne durch und seine Silhouette kann in einem geeigneten Teleskop beobachtet werden.

Achtung: niemals ohne geeigneten Schutz durch ein Fernglas oder Teleskop in die Sonne schauen. Nur für die Beobachtung der Sonne zertifizierte Filter verwenden! Im Zweifel fragen Sie bitte bei einer Sternwarte oder im Fachhandel!

Der Transit beginnt um 13:35, der Merkur erscheint mit einem Durchmesser von 10 Bogensekunden etwa 200 mal kleiner als die Sonne mit 32 Bogenminuten. Das menschliche Auge kann nur Strukturen grösser als 2 Bogenminuten erkennen. Deshalb kann der Transit nicht mit einer „SoFi“ Brille beobachtet werden.

Merkur um 13:41 vor der Sonne (Simulation). Merkur ist der kleine schwarze Punkt ganz links. Sonnenflecken wie in dieser Simulation wird es nicht geben – die Sonne ist zurzeit praktisch fleckenfrei.

In Wirklichkeit ist Merkur 285 mal kleiner als die Sonne. Die Erde wäre im gleichen Abstand 26 Bogensekunden gross. Mit Mond wären es schon 13 Minuten aber immer noch kleiner als der scheinbare Sonnendurchmesser.

Bis zum Ende lässt sich der Merkurtransit in der Schweiz nicht beobachten, da die Sonne vorher untergeht. Bei mir ist schon um 14:26 Schluss, wenn die Sonne hinter Bäumen verschwindet.

Die Situation um 14:26 (Simulation mit Stellarium).

Partielle Mondfinsternis am 16. Juli

Morgen Abend ist wieder eine Mondfinsternis zu beobachten. Zwar ist keine sternklare Nacht angesagt, doch kann eine Mondfinsternis auch gerade mit Wolken reizvoll sein – solange die Wolkendecke nicht total ist.  Der Kernschatten wandert von Zürich aus beobachtet von 22:01 bis 1:00 über den Mond. Nicht weit entfernt in südlicher Richtung steht Saturn am Himmel.

Himmelsanblick

Simulation Himmelsanblick: partielle Mondfinsternis mit Saturn und Jupiter

Licht ins Dunkel: Suche nach Dunkler Materie in der Milchstrasse

Apr 12
Wie finden wir die Dunkle Materie in der Milchstrasse? 
Auch unser Planetensystem muss von Dunkler Materie erfüllt bzw. durchströmt sein, wie aus der Bewegung der Sterne in der Milchstrasse bekannt ist. Falls es eine schwache Wechselwirkung von Dunkle Materie mit normaler Materie gibt, dann lässt sie sich nachweisen. Allerdings ist die Natur der Dunklen Materie noch nicht bekannt und deshalb wissen wir auch nicht ob und welche Wechselwirkungen zu erwarten sind. Die Forschung arbeitet deshalb nach dem Ausschlussprinzip und versucht theoretische Alternativen über sensitive Experimente zu überprüfen. Prof. Laura Baudis von der  Uni Zürich zeigt uns in ihrem Vortrag den aktuellen Stand der Forschung. Vor dem Vortrag ist die jährliche GV der AGUZ. Alle Mitglieder sind herzlich eingeladen.

Details: www.aguz.ch